2017Alain MuellerComment

Rim2Rim I

2017Alain MuellerComment
Rim2Rim I

Es geht früh aus den Federn: Der Shuttle-Bus von Transcanyon, der uns zum Süd-Rim bringt, holt uns um 7:00 Uhr vom General Store des North Rim Campground ab. Diesen Transfer hat Alain ebenfalls zum Voraus reserviert und bezahlt. Wir treffen uns kurz nach 06:00 auf einem schnellen Kaffee, danach schnappen wir uns unsere zum Glück am Vortag gepackten Rucksäcke und die am Vorabend von Jenny liebevoll gestrichenen Sandwiches und stehen um 6:45 Uhr aufgeregt vor dem General Store bereit.

Pünktlich trifft der Shuttle Bus ein und der gut gelaunte Fahrer klärt uns über die Fahrt auf: während der 4.5-stündigen Fahrt sind zwei Stopps geplant, an denen wir unsere Blasen entleeren und mit Tankstellen-Kaffee neu befüllen können. Auch die knurrenden Mägen können versorgt und die Beine vertreten werden. Man merkt, dass der Fahrer die Strecke nicht zum ersten Mal fährt, er flitzt um die Kurven und überholt alles, was sich vor uns auf der Strasse befindet.

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Trotz der rasanten

Fahrweise gelingt es uns, nochmals ein bisschen zu dösen und zu entspannen. Wie vereinbart, entlässt uns unserer Fahrer an der Station Bright Angel Lodge, wo sich auch der "Bright Angel Trailhead“ befindet. Wir marschieren direkt zum Startpunkt des Wanderwegs, der uns in die Tiefen des Grand Canyon bringen soll. Bevor wir loswandern, schmieren wir uns noch gründlich mit Sonnencrème ein, vertilgen die mitgebrachten Sandwiches, erledigen einen letzten Toilettengang und lassen uns zwecks Erinnerung (und Vorher-Nachher-Vergleich) von einem netten Touristen vor dem "Bright Angel Trailhead" Schild ablichten. Und dann geht's endlich los!

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Es ist inzwischen

circa ein Uhr mittags und die Sonne brennt vom Himmel. Gut gelaunt hüpfen wir beinahe wie Bighorn Sheeps los. Schon nach kurzer Zeit kommt uns der erste Muli-Tross von unten entgegen. Natürlich haben wir die goldenen Grand Canyon Wanderregeln studiert und stehen brav zur Seite, um die Karawane durchzulassen (Regel Nummer eins: Mulis haben immer Vortritt).

Mulis werden im Grand Canyon zu logistischen und touristischen Zwecken eingesetzt: Logistisch versorgen sie die Phantom Ranch (mehr zur Ranch folgt an Tag 2) mit Ware und transportieren den Abfall hoch, als touristische Attraktion können Muli-Touren gebucht werden, bei denen man an einem Tag auf einem Muli in den Canyon hinunter und wieder hinauf reiten kann. Leider ist es mit den Mulis wie in der Schweiz mit den Kühen: Sie hinterlassen ihre Spuren nicht nur in Form von Hufabdrücken im Boden sondern setzen gerne auch Bollen-Haufen und Pipi-Seen auf den Weg - beides mit entsprechender begleitenden Duftnote. Aber zurück zu uns: Bei bester Stimmung kämpfen wir uns weiter auf dem staubigen Pfad die Schlucht hinunter.

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Der Abstieg

über den Bright Angel Trail ist soweit kein Problem, wegen der Hitze und der Trockenheit kommen wir aber arg ins Schwitzen. Nach gut zwei Stunden haben wir die knapp 7 Kilo- und 927 Höhenmeter überwunden und kommen erschöpft an unserem ersten Etappen-Ziel, dem Indian Garden Campground, an. Wir suchen uns ein schönes Plätzchen, ziehen sofort die Wanderschuhe aus und Flip-Flops an und richten uns häuslich ein. Zum Glück konnten wir das Aufstellen des Zeltes im Great Sand Dunes National Park üben und haben unsere Suiten so im Handumdrehen aufgebaut und eingerichtet. Den restlichen Nachmittag vertörlen wir uns mit "Schnützlen" und einen kurzen Plausch mit dem netten Ranger, der uns empfiehlt, am nächsten Morgen wegen der Hitze früh aufzubrechen. Am früheren Abend wechseln wir nochmals von Flip-Flops auf die Wanderschuhe und machen uns auf den Weg zum "Plateau Point" - einem Aussichtspunkt, von dem aus man schön in den Canyon hinein- und auf den wilden Colorado River  hinabsieht. Hier wollen wir während des Sonnenuntergangs ein paar schöne Fotos schiessen. Inzwischen hat sich das Wetter gedreht, es sind dicke schwarze Wolken aufgezogen, es windet stark und bereits beim Hinmarsch spüren wir die ersten Regentropfen. Hatte der Ranger nicht gesagt, kein Regen bis am Freitag????

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Naja,

als waschechte Abenteurer lassen wir uns davon aber nicht beirren und schiessen wie geplant unsere Fotos. Ungemütlich wird es uns erst, als wir feststellen, dass das Geländer am vordersten Punkt des Aussichtsplateaus elektrisch geladen ist. Oli schmiert es ein paarmal deftig einen beim Berühren des Geländers und danach stehen ihm die Haare zu Berge. Nachdem sich Jenny, Alain und Murielle vom Lachanfall erholt haben, stellen wir fest, dass bei allen die Haare in alle Richtungen zeigen. Als Olis Schuhe oder Beine (wir wissen's nicht genau....) von der elektrischen Spannung zu surren beginnen, beschliessen wir, den Rückzug anzutreten.

Zurück beim Zeltplatz machen wir uns sofort an die Zubereitung des Abendessens, da es inzwischen finster geworden ist. Gekocht ist ja schnell, da wir uns, wie im Great Sand Dunes, für unsere Wanderung mit gefriergetrockneten Menüs eingedeckt haben: Wasser aufkochen, Beutel auf, Wasser rein, umrühren, 9 Minuten ziehen lassen und fertig ist wahlweise Lasagne, Nudeln mit Poulet, Beef Stew oder Pfeffersteak auf italienische Art mit Reis und Tomaten. Unsere Erwartungen an den "Beutelfrass" waren gering, doch wir sind uns einig, dass die Menüs tatsächlich lecker schmecken und dank ihres leichten Gewichts und der schnellen und einfachen Zubereitung erfüllen sie mehr als ihren Zweck. Begleitet wird das Menü übrigens von mitgeschlepptem Bier, das wir im naheliegenden Flüsschen gekühlt haben. Während des Essens raschelt es in den Bäumen. Mit unseren Stirnlampen können wir rasch die Störenfrieden identifizieren: Eine Stinktier-Familie schleicht fröhlich um unsere Zelte herum. Zum Glück haben wir alle Esswaren in den für Tiere einbruchsicheren Metallboxen verschlossen, die sich auf jedem Zeltplatz zu genau diesem Zweck befinden. Wie wichtig das ist, wird Jenny an Tag zwei erfahren... Der Regen hat inzwischen wieder aufgehört und mit unseren UV-Lampen entdecken wir rund um unser Plätzchen weitere Bewohner des Grand Canyon: Skorpione! Ehrfürchtig betrachten wir die Tiere, die im UV-Licht unserer Lampen hell aufleuchten. Mit einem Kaffee schliessen wir den ersten Grand Canyon Tag ab und kriechen danach müde aber zufrieden in unsere Zelte.